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Digitaler Ziviler Ungehorsam (Dr. Wulf Loh)

Link zur Veranstaltungsseite: https://hochschule-n-bw.de/veranstaltungen/digitaler-ziviler-ungehorsam-dr-wulf-loh/

Seit Henry David Thoreaus berühmter Schrift „Civil Disobedience“ ist in der politischen Theorie und Philosophie eine reiche theoretische Reflexion darüber entstanden, ob und wie illegale Protestformen wie Sitzblockaden, Streiks, unangemeldete Demonstrationen etc. als ziviler Ungehorsam legitimiert werden können. Martin Luther King und Mahatma Gandhi nutzten solche illegalen Formen, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und das jeweilige politische Thema zu „dramatisieren“ (King). Auch in der richterlichen Praxis der meisten liberal-demokratischen Staaten werden bestimmte illegale Protestformen als symbolische Akte anerkannt, die sich erheblich von einfachen Vergehen oder Verbrechen unterscheiden. Dies schlägt sich auch regelmäßig in den vergleichsweise milden Urteilen nieder.

Dagegen werden digitale Protestformen nach wie vor oft unverhältnismäßig stark kriminalisiert, sobald sie die Grenze des rechtlich vorgesehenen demokratischen Protests überschreiten. Und dies, obwohl dieser Protest eine wichtige Rolle für die Legitimität und das Funktionieren digitaler politischer Öffentlichkeiten spielt. In dem Vortrag werden einige gängige digitale Protestformen vorgestellt und daraufhin überprüft, ob sie die Kriterien für zivilen Ungehorsam erfüllen und auf diese Weise als „digitaler ziviler Ungehorsam“ gegenüber einer allgemeinen Pflicht zum Rechtsgehorsam moralisch gerechtfertigt sind. In diesem Zuge werden einige Schwierigkeiten, die sich mit der Übertragung dieser Kriterien auf die digitale Sphäre ergeben, deutlich: So steht bspw. das Kriterium der Rechtstreue und Publizität in Frage, da die meisten Online-Aktivist*innen anonym agieren. Auch das Kriterium der Gewaltlosigkeit muss für den digitalen Bereich überdacht und neu ausgerichtet werden.

Wulf Loh studierte Philosophie, Politikwissenschaften, sowie Völker- und Europarecht in Heidelberg, Bologna und der FU Berlin. Seine Promotion zu einer normativen Rekonstruktion des Völkerrechts begann er am Graduiertenkolleg „Verfassung jenseits des Staates“ der HU Berlin, war danach sechs Jahre wiss. Mitarbeiter am Institut für Philosophie in Stuttgart und ist seit 2018 PostDoc am Int. Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Uni Tübingen. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Sozialphilosophie (Kritische Theorie, Praxistheorie, Sozialontologie), der Politischen Philosophie (Digitale Öffentlichkeiten, Solidarität, Internationale Politische Theorie), der Rechtsphilosophie (Staats- und Verfassungstheorie, Legitimität und Legalität, Philosophie des Völkerrechts), sowie der Technik- und Medienethik (Roboterethik, Mensch-Maschine-Interaktion, Theorien der Privatheit).

Informationen zur Teilnahme

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Hochschulgruppe reason[Ing.] statt. Informationen zur Teilnahme findet ihr in Kürze unter: reasoning-stuttgart.de/vortrag-sose-2020/